Thursday, February 23, 2012

Erste Enthüllungen

Im Laufe des nächsten Morgens, an dem nach wie vor sehr gedrückte Stimmung
herrschte, wurden wir Zeuge eines Streits zwischen Dara und ihrem Vater. Ich
wollte wirklich nicht lauschen, aber sie stritten so laut, man kam gar nicht
umhin, sie zu hören. Jedenfalls bekam ich mit, dass es um Cordovan, den Jagd-
aufseher des Dorfes ging, an dem Dara offensichtlich Gefallen gefunden hatte.
Scheinbar hatte ihr Vater jedoch etwas dagegen einzuwenden. Dara flüchtete
sich nach einigem Geschrei in die Kerzenzieherei, in der inzwischen gründlich
sauber gemacht worden war.
Da es sonst nicht wirklich viel zu tun gab, liefen wir ein wenig im Dorf herum
und hörten uns nach Geschichten von Skeletten und Rüstungen um. Auch bei
Dara sahen wir natürlich mal vorbei und fragten sie ein wenig aus. „Worüber
habt ihr euch denn so gestritten?“, fragte ich sie unschuldig. „Ach, es ging um
Cordovan. Mein Vater will mir verbieten, mich mit ihm zu treffen. Aber er
sagt mir nicht warum! Auf jeden Fall kann er mir keinen vernünftigen Grund
nennen!“ Wir versprachen ihr, mal mit ihrem Vater zu reden – vielleicht würde
er uns ja einen vernünftigen Grund nennen können.
Zunächst jedoch gingen ein paar von uns zur Müllersfrau, die scheinbar nicht
sehr viele Freunde hatte, da sie und ihr Mann aus der Stadt zugezogen waren.
Wir leisteten ihr ein wenig Gesellschaft und überredeten sie, später mit zum
Wirtshaus zu kommen. Mir schien sie eine sehr nette Frau zu sein – ich konnte
gar nicht verstehen, warum sie im Dorf so gemieden wurde.
Anschließend gingen wir mit ihr ins Gasthaus zurück, wo wir uns eine Weile
mit der Wirtin Josmine unterhielten, und scheinbar hatte auch Caya, die Mül-
lerin, ihren Spaß dabei. Als Josmines Mann Bermann Zeit und Muße für ein
Schwätzchen hatte, fragten wir auch ihn zu dem Streit vom heutigen Morgen,
doch er sagte nur, das ginge uns nichts an, Cordovan sei ein „Schürzenjäger“,
und er mache sich nur Sorgen um seine Tochter. Wir sollten nur mal Maren, die
Schmiedin fragen! Aber so richtig überzeugend war diese Vorstellung nicht. So
beschlossen wir, mal mit Maren und Cordovan zu sprechen.
Vorher baten wir jedoch Caya, ihr Boot benutzen zu dürfen, um nochmal
zum See zu fahren, bei dem Reina und Ganymed das Skelett am vorigen Tag
aus den Augen verloren hatten – denn seine Rüstung sah genauso aus wie die,
die beim ermordeten Vilbert Bärentod im Schrank gehangen hatte. Nur etwas
stärker beansprucht, versteht sich. Caya lieh uns das Boot gerne, und so fuhren
und liefen wir zum See. Dort angelangt entdeckten wir tatsächlich mitten im
See auf einer Insel ein Skelett mit Rüstung!
Da das Ruderboot nur zwei große Leute auf einmal fasste, mussten wir mehr-
fach übersetzen, bis alle, die dabei sein wollten, auf der Insel waren. Das waren:
Ithilwen, Elwedritsch, Cliona, Farand, Guineth und ich. Der Plan war, das Ske-
lett irgendwie festzuhalten, so dass wir mit ihm reden konnten – wie auch immer
man mit einem Skelett reden will. Wir hatten auf der anderen Seite der Insel
angelegt, so dass ein Felsen uns vom Skelett trennte. Leise schlichen wir um den
Felsen herum, und da lag es. Es schien zu schlafen. Farand trat einen Schritt
vor. „Hallo?“ Das Skelett zeigte keine Reaktion. Farand trat noch einen Schritt
vor. „Entschuldigung?“ Plötzlich bewegte sich das Skelett, sprang auf und stürz-
te aufs Wasser zu. Dann passierte ganz viel gleichzeitig: Der Boden vor dem
Skelett wurde ganz matschig, Elwedritsch pustete irgendein Pulver aus einem
kleinen Röhrchen auf den Matsch, und Seile, die aus dem Nichts entstanden wa-
ren, schlangen sich um Arme und Beine des Skeletts. Es wehrte sich heftig, kam
aber nicht frei. Es machte komische klackende Geräusche, die keiner Sprache
ähnlich klangen, die ich kannte. Allerdings stelle ich es mir auch eher schwierig
vor, als Skelett zu sprechen. Oder gar zu essen – wie furchtbar das sein muss,
jahrhunderte nichts essen zu können!
Verzweifelt versuchten wir in allen uns bekannten Sprachen, dem Skelett
verständlich zu machen, dass wir ihm nichts tun wollten, aber lange Zeit ohne
Erfolg – bis Cliona in eine mir bis dahin völlig unbekannte, jetzt jedoch sehr
geläufige Sprache verfiel. Es war Maralinga, wie sie uns später erklärte, die Spra-
che der Valianer. Das Skelett beruhigte sich auf ihre Worte hin etwas, machte
aber weiterhin klackernde Geräusche. Cliona sagte wieder etwas, es klang nach
einer Frage, das Skelett nickte und klackerte. Das ging eine ganze Weile so, bis
die Seile irgendwann vom Skelett abfielen. Wir schipperten wieder gemütlich
zum Ufer zurück, das Skelett mit uns, und erst dort erklärte Cliona uns, was sie
erfahren hatte. Wir sahen jetzt, dass das Skelett einen Schlüssel um den Hals
hatte.
Das Skelett bestätigte uns, dass es das einzige seiner Art war, das hier rum-
lief, dass es aber manche Leute gab, die nachts in einer Rüstung, die seiner
glich, herumliefen. Wer das war, konnte es uns allerdings nicht sagen, denn
seine Antworten beliefen sich auf „ ja“ und „nein“. Außerdem konnten wir mit
einigem Herumraten herausbekommen, dass es auf einen „Meister“ wartete, der
wiederkommen sollte, und dass es noch mehr von den Schlüsseln gab.
Da das Skelett nicht mit ins Dorf kommen wollte, ließen wir es im Wald,
wo es auf uns warten wollte. Dann sprachen wir mit Maren, der Schmiedin.
Sie gab ohne Umschweife zu, eine Rüstung zu besitzen, wie auch Vilbert sie
besessen hatte, konnte uns aber nicht sagen, woher sie stammte, und wollte
von Schlüsseln nichts wissen. Zu Cordovan sagte sie nur, dass er ihr eine Zeit
lang hinterhergelaufen sei, aber von ihr einen Korb erhalten habe. Ein erneutes
Gespräch mit dem Wirt, bei dem ich nicht zugegen war, muss wohl in einen
heftigen Streit ausgeartet sein – jedenfalls hat er uns rausgeschmissen. Einfach
so! Ich meine, was ist das denn für eine Gastfreundschaft, Gäste rauszuschmei-
ßen, nur weil sie ein paar Fragen stellen? Das ist doch unmöglich! An den Rest
des Tages kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern, weil diese unglaubliche
Unhöflichkeit der großen Leute mir so zu schaffen machte. Die anderen redeten
noch mit allen möglichen Leuten, scheinbar waren sie an diese Ungepflogen-
heiten gewöhnt. Am Abend behaupteten sie dann, sie wüssten jetzt, wer alles
Rüstungen und Schlüssel hätte. Woher sie das mit den Schlüsseln jetzt wieder
wussten, konnte ich mir nicht erklären, aber wenn sie da so zuversichtlich waren,
dann würden sie schon wissen, was sie wussten und was nicht. Oder so.
Jedenfalls quartierten wir uns für diese Nacht beim Müller ein, da der Wirt
uns ja nicht mehr da haben wollte – so eine Unverschämtheit! Da war es zwar
jetzt sehr voll, aber irgendwie konnte man schon schlafen. Niphredil und Gany-
med zogen es vor, draußen auf einem Baum zu schlafen, also mussten wir nicht
ganz so viel stapeln. Nach einer weiteren halben Stunde, in der ich mich noch
über den Wirt aufregte, schlief auch ich endlich ein.

Sunday, July 31, 2011

Ankunft in Vinwacht

Achtung! Enthält wichtige Informationen zum Abenteuer "Wächter der steinernen Flamme"!




Wir blieben noch etwa zwei Wochen in Adhelstan. In der Zwischenzeit wurde Gwyn im Tempel aufbewahrt, während Herewald gen Norden reiste, um Euthasius, einen wohl sehr fähigen Magier, zu holen. Der Rest der Gruppe kannte ihn schon von früheren Abenteuern. Er sollte sich darum kümmern, dass Gwyn wieder auf den rechten Pfad zurückkam.
Glücklicherweise traf ich gleich zu Beginn der zwei Wochen eine Köchin aus dem Halfdal, die im Gefolge von einem der Herren mitreiste, die sich das Turnier angesehen hatten. Sie war sogar, erstaunlicherweise, nicht mit mir verwandt – zumindest konnten wir in einer mehrere Stunden dauernden Diskussion keine Verwandtschaft feststellen. Aber Kochrezepte konnten wir austauschen, und sie erklärte sich bereit, mir Leomies Birneneis beizubringen, was sich bestimmt als nützlich erweisen würde. So hatte ich die zwei Wochen noch jemanden zum Plaudern und jemanden, der mitaß.
Doch nach diesen zwei Wochen machten wir uns erneut auf den Weg, da wir eine Verabredung mit einem gewissen Gelehrten namens Fenglorn hatten, wie mir die anderen erzählten. Er habe ihnen einen Brief geschickt, sie sollten sich bis zu einem bestimmten Datum, das mir leider gerade entfallen ist, in Vinwacht einfinden. So begann also erneut die Reise und damit die Zeit der Entbehrungen. Die anderen, vor allem Reina, witzelten von Zeit zu Zeit darüber, was Fenglorn nun schon wieder für tolle Schätze gefunden haben mochte und erzählten von irgendeinem Grab und Leuten, die von Geistern besessen waren. Ziemlich gruseliges Zeug. Und damit sollte dieser Gelehrte irgendwas zu tun gehabt haben. Ich war mir nicht so sicher, ob es eine gute Idee war, Fenglorns Aufforderung nachzukommen, aber Reina, Ithilwen, Terra und Niphredil schienen fest entschlossen zu sein, und die anderen schlossen sich ihnen ohne Murren an. So hatte ich wohl kaum eine Wahl als mich wieder einmal vom Karren durchrütteln zu lassen.
Es war später Nachmittag. Das Dorf konnte nicht mehr weit sein, wir konnten bereits die Spitze eines Burgturmes zwischen den Baumwipfeln erkennen, als Reina plötzlich stutzte und ihren Blick auf eine Stelle im Schatten fixierte. Blitzschnell glitt sie von ihrem Pferd, ein lautes Klappern ertönte aus der Richtung, in die sie gesehen hatte, ich konnte dort jedoch nichts erkennen, und sie rannte in den Wald. Ganymed folgte ihr auf dem Fuße. „Was war das denn?“, fragte ich den Nächststehenden, in dem Fall Guineth. „Hast du nicht das Skelett gesehen?“ „Nein… was denn für eins?“ „Na da saß eben ein Skelett auf dem Stein da.“ Ich strengte meine Augen ein wenig an und entdeckte den Stein. „Ja, und wo ist es jetzt?“ Sie zuckte die Schultern: „Weggerannt.“ „Aber Skelette rennen doch nicht…“ „Naja, das scheinbar schon…“ Nachdenklich kletterte ich auf den Karren und aß etwas Kuchen, da keiner Anstalten machte, den beiden zu folgen. Nach wenigen Minuten kehrten sie zurück und berichteten, dass das Skelett in einen See gerannt und nicht wieder aufgetaucht sei. Außerdem wussten sie noch, dass es eine alte Rüstung trug und irgendetwas um den Hals, was es war hatten sie aber nicht erkennen können.
Als wir das Dorf Vinwacht erreichten, wurden wir gleich neugierig beäugt, als wir angeritten kamen, aber niemand bot uns etwas zu essen an – sehr unhöflich, diese großen Leute. In der Mitte des Dorfes fand sich jedoch das Gasthaus, wo wir einkehrten. Wir waren noch drei Tage zu früh und teilten dem Wirt Berman daher mit, dass wir vier Tage bleiben wollten. Wir fragten ihn auch, ob Fenglorn schon angekommen sei, was er jedoch verneinte. Wir fragten ihn auch vorsichtig nach Geschichten von irgendwelchen Skeletten in Rüstungen, und er wusste tatsächlich, dass es eine alte Sage über eine verschollene Armee hier in der Nähe gab. Allerdings meinte er, für solche Geschichten sollten wir besser Inga fragen, die abends den Kindern immer Geschichten erzähle.
Der Wirt besaß auch eine Kerzenzieherei, und da sich einige dafür interessierten, erklärte sich seine älteste Tochter Dara bereit, uns dort ein wenig herumzuführen. Das Haus befand sich genau gegenüber von der Gaststube. Dara ging vor, öffnete die Tür – und stieß einen ohrenbetäubenden Schrei aus. Sie war kreidebleich und wich ein paar Schritte zurück, dann sank sie schluchzend in sich zusammen. Ich konnte nichts erkennen, denn es war dunkel im Raum, der hinter der Tür lag. Die Elfen schienen jedoch etwas sehen zu können und drängten sich vor dem Eingang. Niphredil beugte sich hinunter. „Er ist noch warm. Vielleicht ist der Mörder noch hier drin.“ Sie und Ganymed schritten durch die Tür, blieben hin und wieder kurz stehen und schienen sich auf irgendetwas zu konzentrieren. Ithilwen und Cliona blockierten die Tür, so dass dort niemand hinauskonnte, Terra stellte sich vors Fenster. Nachdem ich meine Neugier befriedigt und einen Blick auf den Körper erhascht hatte, der in einer Blutlache am Boden lag, wobei ich mir im Nachhinein wünschte, manchmal doch nicht ganz so neugierig zu sein, versuchte ich, Dara zu beruhigen, die immernoch hemmungslos schluchzend am Boden saß. Nach ein paar Minuten hörte ich einen Ausruf von Terra, und kurz darauf einen dumpfen Aufprall. Wenige Sekunden später kam die ganze Truppe aus dem Haus. Einige beobachteten scharf die gegenüberliegenden Dächer, konnten aber scheinbar nichts entdecken – jemand hatte durchs Fenster auf sie geschossen. Inzwischen waren einige Dörfler angelaufen gekommen, die Daras Schrei gehört hatten, und wollten wissen, was passiert sei. Ich überließ es den anderen, die Fragen zu beantworten, und brachte Dara nach drinnen. Was sie jetzt brauchte, war eine kräftige Brühe. Ich sorgte dafür, dass sie eine bekam und sich ins Bett legte.
Es verging einige Zeit, bis die anderen zurückkehrten, manche nachdenklich, manche aufgebracht. Ich fragte Elwedritsch, was vorgefallen sei. Er zuckte mit den Schultern: „Wir werden verdächtigt. Kein Wunder, wenn ein Mord passiert, kaum dass wir eine Stunde hier sind, und dann auch noch dabei sind, als die Leiche entdeckt wird...“ Da musste ich ihm Recht geben. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache, und ich schien dabei nicht die einzige zu sein. Die anderen hatten auch in Erfahrung gebracht, dass der Verstorbene Vilbert Bärentod hieß, und ein Leibeigener war, der sich bei Berman etwas dazuverdiente. Seine Familie war wohl eine der ältesten im Dorf gewesen. An sich schien er ein armer Tropf gewesen zu sein – verblüffend war daher, dass er eine sehr wertvolle Kettenrüstung im Schrank hängen hatte, die, wie Elwedritsch behauptete, sehr alt sein musste und von Valianern gefertigt worden war. Außerdem hatte er noch diverse Gerüchte aufgeschnappt, von anderen Leuten, die Skelette gesehen hatten, von dunklen Gestalten, die bei Nacht in Rüstung schauerliche Tänze veranstalteten, und einiges mehr. Man hatte auch die nähere Umgebung schon abgesucht, ob man den Mörder noch finden könnte, aber es gab keine Spur von ihm. Es herrschte sehr gedrückte Stimmung, als sich abends alle außer Terra schlafen legten, die der Totenwache beiwohnen wollte.

Saturday, April 16, 2011

Begegnung mit dem Finstermagier

Achtung: Enthält relevante Informationen zum Abenteuer "Turney zu Adhelstan".




Los ging es also in die Gaststätten in der Nähe. Und wir hatten Glück: Gleich in der ersten fanden wir eine zwielichtige Gestalt mit langem Mantel, die sich angesichts unserer Gruppe noch tiefer in seine dunkle Ecke drückte. Wie genau das Gespräch ablief, habe ich schon vergessen, jedenfalls hatten wir irgendwann herausbekommen, dass er vermutlich nicht unser Finstermagier war, dass er aber über ein wenig Entdeckungsmagie verfügte und uns zur Prinzessin führen konnte, wenn wir ihm Haare oder Fingernägel von ihr besorgten. Reina und Elwedritsch machten sich also noch einmal auf den Weg, um Haare und Fingernägel zu besorgen. Die arme Zofe wurde wohl wieder gerufen und berichtete, dass ihre Herrin Fingernägel stets sofort aus dem Fenster warf. Elwedritsch ging also in den Hof, um Fingernägel zu suchen. Das muss wirklich lustig ausgesehen haben, wie der Gnom auf dem Boden des Burghofes rumkriecht und nach Fingernägeln sucht…

Währenddessen machten wir uns fertig, überprüften also im Wesentlichen, ob wir genügend Fackeln und Seile dabei hatten, und ob alle Waffen scharf und einsatzbereit waren. Herewald wurde kurzerhand dazu verdonnert, „die Pferde zu bewachen“, damit er seinen Arm nicht wieder beanspruchte. Reina trug ihm noch auf, wenn wir bis Mitternacht nicht wieder da sein sollten, sich auf den Ausländerfriedhof zu begeben und zwei Gestalten, die dort auftauchen würden, zu sagen, dass sie heute leider verhindert sei, sie aber morgen gerne treffen würde. Worum es da wohl wieder ging? Sie schien so einige Geheimnisse zu haben…

Dann ging es los. Der dunkle Typ knotete eines der Haare an einer Silbernadel fest und zauberte etwas. Die Nadel drehte sich und wies nach einigen Sekunden in eine Richtung, der wir dann folgten. Der Typ führte uns zielsicher aus der Stadt hinaus, am Ausländerfriedhof vorbei, in den Wald. Es war schon ziemlich unheimlich, die anderen redeten auch kaum, und es wurde jetzt schnell dunkel, so dass wir Fackeln anzünden mussten. Ihr flackerndes Licht war auch nicht grade beruhigend, und der Wald hier war ungewöhnlich still, so dass ich bei jedem lauteren Geräusch zusammenzuckte.

Nach einiger Zeit, mir kam es vor wie eine Ewigkeit, aber es waren wohl ein oder zwei Stunden, erreichten wir eine Lichtung. Etwa hundert Meter vor uns erhob sich eine schwarze Ruine gegen den Nachthimmel. Unser Führer blieb stehen: „Ich denke, ab hier benötigt ihr meine Dienste nicht länger, oder?“ Reina zögerte und sah uns fragend an, einige schüttelten den Kopf. Also gab sie ihm das Geld, das sie mit ihm ausgemacht hatte, und er verschwand leise wieder im Wald. „Also, los geht’s!“, sagte Farand, der ganz erpicht darauf schien, endlich etwas unternehmen zu können.

Uns blieb nicht viel anderes übrig, daher gingen wir einfach grade auf die Ruine zu und hofften, dass draußen keine Wachen postiert waren. Und wir hatten Glück: Kein Mensch – und auch kein Ork – hatte uns bemerkt, als wir direkt vor der Ruine stehen blieben. Ganymed und Ithilwen machten sich mit je einer Fackel auf die Suche nach einem Eingang. Wenige Minuten später kam Ithilwen zurück und bedeutete uns, ihr zu folgen. Sie führte uns zu Öffnung im Boden. Dahinter war nur gähnende Schwärze. Sie leuchtete hinein: Eine Treppe führte hinunter. Terra ging vor, leise scheppernd. Wir folgten, auch leise, aber nach Möglichkeit nicht scheppernd. Am Fuße der Treppe lag eine große Höhle. Sie wirkte von hier aus leer, und so gingen wir weiter, ohne lange zu zögern. Die gezogenen Waffen der Kämpfer blinkten ab und zu im flackernden Fackelschein, von dem auch die Höhle erleuchtet war. Als Terra jedoch aus der Öffnung des Ganges trat, prallten plötzlich Waffen aufeinander, lautes Grunzen und jetzt auch Gestank drang zu mir durch, aber sehen konnte ich nichts, da waren zu viele Leute vor mir. Ithilwen stand hinter mir und schoss über mich hinweg, manchmal konnte ich zwischen zwei Gefährten einen Blick auf die herumwirbelnde Reina erhaschen. Nach ein paar Sekunden war es aber auch schon vorbei. Wir drangen weiter in die Höhle ein, so dass ich auch die vier Orks erkennen konnte, die tot am Boden lagen. Ansonsten befand sich keiner hier im Raum, aber wir hörten Fußgetrappel aus einem der übrigen drei Gänge. Marcello, Farand, Reina, Terra, Ithilwen und Ganymed bildeten einen Halbkreis um diesen. Vier Orks kamen herausgerannt, doch kaum hatten sie den Gang verlassen, wurden sie von einem solchen Klingenhagel eingedeckt, dass sie keine Chance hatten. Es folgten noch zweimal vier Orks, mit denen ebenso verfahren wurde. Farand fuchtelte die ersten paar Sekunden wirkungslos mit seinem Schwert herum und schien dabei eher die anderen zu behindern, als zu helfen. Einer der Orks hieb mit einer Streitaxt auf ihn ein und traf ihn am Kopf, so dass Farand zusammenbrach. Reina nahm sich seiner an und zog ihn ein Stück nach hinten zu Niphredil. Ganymed hob in der Zeit Farands Schwert auf, das zu Boden gefallen war. Marcello focht wie ein Weltmeister, so schnell hatte ich noch nie jemanden angreifen sehen. In ein paar Sekunden hatte er zwei Orks komplett zerstückelt.

Niphredil hatte gleich begonnen, sich um Farands Kopf zu kümmern, der stark blutete. Ich hätte mich gerne irgendwo hingesetzt, aber hier war alles so dreckig, und überhaupt stank es hier furchtbar, und die Orkleichen machten es auch nicht gemütlicher, obwohl ich zugeben musste, dass sie als Leichen schon gemütlicher waren als lebendig. Und ich hatte Hunger. So war ich eigentlich dafür, schnell weiterzugehen, aber ich sah auch ein, dass Farand erst versorgt werden musste. Noch während dies geschah, tauchten sieben weitere Orks aus dem Gang auf, mit denen aber kurzer Prozess gemacht wurde. Marcello machte sich nicht einmal mehr die Mühe, hinzulaufen.

Während Farand verbunden wurde, machten sich die anderen an die Arbeit, tote Orks vor den Gang aufzuschichten, damit dort nicht ohne weiteres noch mehr durchkommen konnten, und durchsuchten die übrigen zwei Gänge, fanden dort jedoch nicht interessantes und auch keine Orks.

Nach zehn Minuten war Farand soweit versorgt. Der Gang wurde wieder freigeräumt. Von dort ging nach rechts eine Tür ab, die angelehnt war, nach links gab es eine geschlossene Tür, und geradeaus ging es wieder in eine größere Höhle. Terra stieß die angelehnte Tür auf; dahinter war nur eine weitere Höhle, die wohl als Schlafraum für Orks diente, jetzt aber leer war. Offenbar gab es nur die, denen wir eben begegnet waren. Die linke Tür war abgeschlossen, so dass wir zunächst weiter geradeaus gingen. Kaum betrat der erste den Raum, oder vielmehr die erste, nämlich Terra, stieg in der Mitte plötzlich Rauch auf, der schnell feste Konturen annahm. Was ein hässliches Vieh! Mit Hörnern! Es ging auch gleich auf uns los. Aber Terra, anstatt nach vorne zu preschen und die Hiebe einzustecken, während alle anderen auf das Vieh eindroschen, fing erstmal an zu zaubern. Dabei konnte doch sogar ich als absolut Unwissende erkennen, dass sie mit Abstand die beste Rüstung hatte! Stattdessen griff also Reina als erstes an. Ithilwen griff ebenfalls an, hatte jedoch jetzt statt ihres Schwertes ein Lasso in der Hand. Reina griff diesmal auch nicht mit ihrer Lieblingswaffe, der Sichel an der Kette, an – wie hieß es noch gleich, Kusari-Dingens, ich weiß es nicht mehr genau – sondern mit einem Schwert. Ihr erster Hieb saß perfekt, sie riss ein tiefes Loch in den Bauch des Dämons, falls Dämonen so was haben. Ithilwen warf das Lasso gut gezielt genau über den Kopf des Dämons und zog es da zu, so dass er jetzt ziemlich stranguliert wurde. Dennoch führte er noch einen Angriff mit seiner Hellebarde aus, mit dem er Reina traf und ihr, einfach mal so eben, ein Bein abtrennte. Die stürzte natürlich und fluchte in einer mir gänzlich fremden Sprache. So langsam war mir das alles ein bisschen viel Blut hier, auch wenn das meiste bis jetzt Orkblut gewesen war.

Der Dämon überlebte keine zehn Sekunden mehr, das Lasso gab ihm wohl den Rest. Jetzt, wo es ein bisschen still war, hörten wir von nebenan Murmeln, das verdächtig nach Beschwörung klang. Niphredil hatte sich schon wieder ihrer nächsten Patientin zugewandt und war wohl mit einer Allheilung beschäftigt. Ganymed titschte unruhig in der Höhle herum, beschleunigt, so wie mir das aussah. Ithilwen schien auch nervös und ungeduldig, sie blickte immer wieder zu dem Raum, aus dem die Stimme kam. Wir waren vielleicht zwei Minuten in dem Raum, da hörten wir wieder Schritte, aber diesmal nur von einer Person. Ins Fackellicht trat noch ein Ork, ein besonders großes und besonders hässliches Exemplar. Ganymed stürzte sich auf ihn, und ehe jemand anderes reagieren konnte, war der Ork Hackfleisch. Allerdings bekam Ganymed auch ordentlich was ab.

„Ich würde die ungern die Beschwörung da fertig machen lassen“, merkte Ithilwen mit einem Blick auf die Tür an. „Ich auch nicht“, stimmte Ganymed ihr zu, der sich selbst heilte, „aber im Moment lässt sich da wohl nicht viel machen.“ Terra hatte sich in eine Ecke des Raumes gesetzt, hatte die Augen zu und sah fast aus, als würde sie schlafen. „Was macht die da?“, flüsterte ich Elwedritsch zu. Der zuckte mit den Schultern. „Cliona, was macht die da?“ „Meditieren.“ Hmm. Da zog ich Essen vor, und das hatte, soweit ich wusste, den gleichen Effekt. Apropos Essen… Mein Magen machte sich zusehends bemerkbar.

„Ja, ich hatte auch nicht vor, alleine mit den Magiern da rein zu spazieren. Trotzdem würde ich da gerne bald reingehen.“ „Wir gehen, sobald ich wieder heile bin, würde ich sagen.“ Ithilwen wirkte zwar immer noch nicht glücklich, aber schien Ganymed Recht zu geben.

Die nächsten zehn Minuten war es entnervend still, nur das monotone Murmeln von der anderen Seite der Tür und gelegentliches Murmeln von Niphredil unterbrachen die Stille. Endlich war es so weit. Wir sammelten uns vor der Tür, nachdem wir Terra aus ihrem Halbschlaf geweckt hatten. Sie stieß die Tür auf. Dort standen ein Mann und die Prinzessin Gwyn einander gegenüber an einem Oktagon und murmelten die Beschwörung. Der Mann sah sofort auf, als wir die Tür öffneten. Das Mädchen rezitierte weiter die Beschwörungsformel. „Dunkelheit!“ Die Stimme des Mannes dröhnte durch den Raum. Ich fluchte leise. Es war völlige Schwärze um uns herum. Ganymed neben mir bewegte sich, in die Richtung, wo wir vorher den Magier gesehen hatten. Ich zögerte einen Moment, dann zog ich mein Kurzschwert und folgte ihm. Zaubern konnte man bei der Dunkelheit ohnehin nichts Sinnvolles. Terra schien da anderer Meinung zu sein, jedenfalls sprach sie irgendwelche Formeln, von denen ich aber ziemlich sicher war, dass sie nicht fertig waren, als sie aufhörte, zu reden, und stattdessen kurz aufschrie. Als ich glaubte, ungefähr dort angekommen zu sein, wo der Magier zuvor gestanden hatte, lauschte ich angestrengt, und stach mit meinem Schwert nach einem leisen Rascheln. Mehrmals versuchte ich, ihn zu treffen, aber es war hoffnungslos, es war wahrscheinlicher, dass ich einen von uns traf. Ganymed stöhnte in meiner Nähe auf, dann schrie er, dann ein dumpfer Aufprall. Dann hörte ich nur noch, wie etwas über den Boden schleifte, vermutlich wollte er zurück ins Licht robben. Hinter uns hörte ich Guineth verzweifelt immer wieder den gleichen Spruch vor sich hinmurmeln; Ich kannte ihn nicht, vermutete aber, dass sie versuchte, es hell zu machen. Ein weiterer Schrei ertönte, und etwas rauschte durch die Luft, es klang nach Marcellos Stimme. Von der anderen Seite des Raumes hörte plötzlich die Stimme der Prinzessin auf, und für einen Schreckensmoment dachte ich, die Beschwörung sei fertig, doch dann ertönte ein dumpfer Aufschlag aus ihrer Richtung. Irgendjemand war wohl zu ihr gegangen um sie zu unterbrechen. Und richtig: Eine Sekunde später hörte ich Ithilwen aus dieser Richtung aufschreien. Ich strengte meine Augen an, um vielleicht doch irgendwas im Dunkel erkennen zu können, aber da war nur völlige Schwärze. Irgendwas musste ich doch tun können! Mir kam eine Idee, vielleicht die einzige Möglichkeit, es wieder hell zu machen, wenn Guineth es so nicht schaffte. Guineths Stimme hatte kurz aufgehört, vermutlich hatte sie ihre Kraft für den Moment verbraucht. Ich tappte vorsichtig, aber so schnell ich es wagte, in Richtung von Ithilwens Schreien. Guineths Murmeln setzte wieder ein; ganz schön hartnäckig, das Mädel. Ich erreichte die Stelle, wo Ithilwens Schreie am lautesten waren, bückte mich und tastete nach der Prinzessin, bekam etwas Weiches zu fassen, einen Arm vielleicht, um das ein Seil lag. Leomie sei Dank, Ithilwen hatte es geschafft, ihr das Lasso überzuwerfen und sie so zu fesseln! Ich packte sie und rückte sie ein wenig zurecht, um ihr das Kurzschwert irgendwo in die Gegend zu halten, wo ich ihren Hals vermutete. Ithilwen schien ganze Arbeit geleistet zu haben; Gwyn wehrte sich nicht. „Hey, Finstermagier!“, rief ich beherzt in die Dunkelheit. Marcellos Schreie brachen abrupt ab, ich hörte, wie er auf den Boden fiel. „Lass sie los.“ Eine tiefe, gefährlich angespannte Stimme. „Erstmal machst du es wieder hell, würde ich vorschlagen. Ich mag es nämlich nicht, wenn es so dunkel ist.“ „Warum sollte ich? Ihr tut ihr doch eh nichts!“ „Da wäre ich mir nicht so sicher…“ Ich bewegte mein Schwert, bis ich einen leichten Widerstand spürte. Die Prinzessin wimmerte leise. „Ihr…“ Er schien sprachlos vor Wut. „Wie sieht es aus? Kriegen wir ein bisschen Licht? Ich habe nämlich auch Hunger, und im Dunklen isst es sich so schlecht. Mal ganz davon abgesehen, dass es hier furchtbar stinkt.“ Es wurde hell. Der Magier blickte mich aus hasserfüllten Augen an. Innerlich doch schon ziemlich am zittern, kontrollierte ich, ob mein Schwert sich auch wirklich an der richtigen Stelle befand. „So, das ist doch schonmal ein guter Anfang. Und jetzt rate ich euch gut, euch von der finsteren Magie abzuwenden, denn sonst wird es um euch herum immer dunkel sein!“ Der Finstermagier lachte heiser, aber seine Augen waren immer noch kalt und voller Hass. Das hatte wohl nicht geklappt. Immer diese Leute, die keine guten Ratschläge annehmen wollten… „Nagut, dann können wir ja jetzt wenigstens schön gesittet rausgehen, Ihr lasst euch fesseln und wir bringen euch zum Vater dieser entzückenden Lady hier. Was haltet ihr davon?“ Ganymed erschien in der Tür, er sah wieder halbwegs fit aus. Ithilwen stand gerade wieder vom Boden auf, auf dem sie zuvor zuckend gelegen hatte. „Vergiss es“, knurrte Ganymed. „Der kommt hier lebend nicht raus, sonst verschwindet er wieder.“ Er hatte seinen Bogen gespannt, und Ithilwen neben mir tat es ihm jetzt gleich. „Sobald ihr schießt, mache ich es wieder dunkel, also würde ich euch stark davon abraten.“ „Sobald es wieder dunkel wird, kann es sein, dass mir mein Schwert abrutscht!“ Er wandte sich von Ganymed wieder zu mir, und in dem Augenblick schoss Ganymed. Ithilwen tat es ihm nach, er wurde von beiden Pfeilen getroffen, und dann war er auf einmal weg. Ziemlich fassungslos starrten wir alle auf die Stelle, an der er verschwunden war. Dort lagen nur noch ein paar Gegenstände. Ithilwen trat zu mir und verschnürte Gwyn noch etwas fachgerechter. Die protestierte jetzt, wurde aber erst einmal ignoriert. Ich machte mich auf die Suche nach etwas zu essen, von irgendwas mussten die beiden hier ja auch leben. Ich konnte jedoch auch in den verbliebenen Räumen nichts finden. Schlecht gelaunt kehrte ich zu den anderen zurück. Ich wollte hier raus, ein gutes Essen, und dann schlafen. Erst mussten jedoch ein paar Leute wieder zusammengeflickt werden – Terra hatte ein paar üble Verbrennungen abbekommen, woher auch immer. Endlich konnten wir dann hoch, aber anstatt oben erstmal was zu essen, mussten wir natürlich sofort zurück in die Stadt. Ich trottete also schlecht gelaunt hinterdrein, und das Gezeter der Prinzessin von wegen Whitestead – das war wohl der Name ihres geliebten Finstermagiers – werde sie schon wieder holen und wir würden das alle bereuen und ihr Vater wäre ihr egal machte es auch nicht besser. Die Versuche der anderen, ihr zu erklären, dass ihrem Whitestead ja nicht so viel an ihr liegen könne, wenn er sie zurückließ, fruchteten überhaupt nicht. Sie schien ein sehr störrisches Wesen zu haben.

Auf dem Ausländerfriedhof trafen wir Herewald, der Reina berichtete, er habe zwei Leute getroffen, die aber eher nicht so der Gesellschaft entsprachen, in der wir uns normalerweise aufhielten. Ich war zu hungrig und müde, um noch neugierig zu sein, wer das war. Zu allem Überfluss waren die anderen dann auch noch der Meinung, dass wir die Prinzessin jetzt sofort abliefern müssten. Also auf zur Burg, Terra, die Gwyn bis jetzt über die Schulter geworfen hatte, trug sie jetzt auf dem Arm, und die Fesseln hatten wir ihr abgenommen. Als die Burgwachen sahen, dass wir die Prinzessin mitgebracht hatten, ließen sie uns sofort rein und ließen den Syre wecken. Der kam, ziemlich verschlafen und im Nachthemd, aus seinen Gemächern. Das erste, was Gwyn tat, als sie ihn sah, war, sich loszureißen und ihn anzurempeln. „Na, na, geht man so mit seinem Vater um?“, rügte Reina sie. Ich fand die ganze Situation einfach viel zu absurd: Wir hatten hier eine angehende Finstermagierin, die wir aber schonen wollten, weil es noch die Hoffnung gab, sie auf den „richtigen Weg“ zurückzubringen, und um ihren Vater nicht in Schuldgefühle und Entsetzen zu stürzen. Wir hatten alle unser Leben riskiert, um sie da rauszukriegen. Und als allererstes, sobald es Gelegenheit hat, benimmt sich dieses verzogene Gör mal glatt total daneben, und Reina hat nichts Besseres zu tun, als sie freundlich darauf hinzuweisen, dass man so nicht mit seinen Eltern umgeht! Ich hätte Gwyn in dem Moment zugegebenermaßen ganz gerne eine Bratpfanne über den Kopf gezogen, hatte sie mich doch um mindestens zwei Mahlzeiten gebracht. Aber das ging wohl hier nicht, in Gegenwart ihres Vaters, und zudem hatte ich keine Bratpfanne zur Hand.

Man einigte sich, dass sie für den Rest der Nacht in einem anderen Zimmer gut bewacht untergebracht würde und morgen früh, so bald wie möglich, in den Tempel umquartiert werden sollte. Dort sollte dann ein Euthasius, den die anderen wohl von früher kannten, sie abholen. Er kannte sich angeblich mit derlei Dingen aus, und man hoffte im Allgemeinen, dass er sie wieder zur Vernunft bringen könne. Herewald, ihr eigentlich-zukünftiger-Ehemann, da Terra ja für ihn das Turnier gewonnen hatte, wollte auf jeden Fall bei ihr Wache halten. Die Heiler-Fraktion war anscheinend zu müde, um ihn darauf hinzuweisen, dass er immer noch seinen Arm schonen musste, und so hielt er mit einigen anderen Wache vor ihrem Zimmer.

Wir kehrten zurück zu unserem Zelt, und ich fiel nun doch völlig erschöpft auf meine Schlafstatt, ohne etwas zu essen. Was ein Tag!

Friday, April 15, 2011

Das Turnier - Finale

Achtung: Enthält relevante Informationen zum Abenteuer "Turney zu Adhelstan".



Das gleiche Vorgehen wie am vorigen Tag war Tagesordnung. Erst Terras erster Kampf brachte das durcheinander. Dieser war… Naja, wie soll ich sagen… dramatisch vielleicht. Bei ihrem Gegner handelte es sich um einen sehr arroganten Haudrauf, der ihr vorher groß ankündigte, er werde sie fertig machen, sie solle lieber gleich aufgeben. Zu Beginn sah es auch echt nicht gut aus, beim ersten Anreiten traf er Terra am Bein, und bei der Wucht wäre sie sicher heruntergefallen, wäre sie nicht festgeklebt gewesen. Beim zweiten Anreiten war sie geistesgegenwärtiger und griff zuerst an, traf ihn jedoch nicht, und sie rauschten ohne Schlagabtausch aneinander vorbei. Noch einmal wendeten sie die Pferde. Terra setzte sich gerade auf, die Sonne blitzte hell auf ihrer Rüstung, als sie wieder anritt, sie legte ihre Lanze an, konzentrierte sich ganz auf diesen einen Angriff, und mit einem ekelhaften Knirschen drang ihre Lanze in den Helm ihres Gegners, der zerplatzte. Einen Augenblick herrschte vollkommene Stille, auch Terra, die ihr Pferd wieder gewendet hatte, starrte entsetzt und ungläubig auf das Ergebnis ihres letzten Angriffs. Lautes Getöse brach los, Frauen kreischten, einige vielen in Ohnmacht. Offenbar völlig durcheinander kam Terra zu uns geritten, als das Gefolge des Ritters zu ihm trat, um ihn auf eine Bahre zu legen und davonzutragen.

Ich war ziemlich erschüttert, ärgerte mich aber auch über die großen Leute: Was dachten sie sich denn auch, mit Pferden aufeinander zuzupreschen und dabei aufeinander einzustechen? Kein Wunder, dass da schonmal jemand durchbohrt wurde! Selbst Schuld, aber echt! Ich murmelte auf dem Weg und beim Kochen zornig vor mich hin, wagte aber nicht, in Terras Anwesenheit etwas laut zu äußern, die ein wenig apathisch hinter uns her trottete. Herewald war im Gegensatz zu uns anderen einfach nur begeistert, dass Terra ins Finale gekommen war. ‚Wir als ihr Gefolge‘ müssten doch stolz auf sie sein! Ganymed nahm das gleich zum Anlass, ihn einmal mehr anzupampen, was auch auf der Reise nicht selten vorgekommen war. Im Wesentlichen ging es immer nur darum, dass keiner von uns Terras Gefolge war, sondern dass sie sich uns vielmehr angeschlossen hatte, weil sie sonst alleine unterwegs gewesen wäre. Er schien schon ein bisschen schwer von Begriff zu sein, dieser Herewald.

Als das Finale heranrückte, hatte sich Terra wieder gefasst, war aber wesentlich nachdenklicher als zuvor. Ich mochte gar nicht hinsehen, es konnte ja genausogut sein, dass Terra einmal von einer Lanze aufgespießt wurde. So bekam ich nicht viel vom Kampf mit. Nur ein dumpfer Aufprall und anschließend lautes Jubeln verrieten mir daher, dass es zuende war. Ich wagte einen kurzen Blick auf den Platz: Da saß Terra eben von ihrem Pferd ab, um ihrem Gegner vom Boden aufzuhelfen, der sich schnell trollte. Wir alle drängelten uns rasch zu Terra durch, um sie zu beglückwünschen, allen voran natürlich Herewald, der sie mit Dank und Lob überschüttete. Eine Fanfare wurde geblasen – man, war die laut! – und der Syre bat Terra und Herewald zu sich, während er seiner Tochter bedeutete aufzustehen. Die hatte ein merkwürdig ausdrucksloses Gesicht, dafür dass es hier um ihre Hochzeit ging, wenn ihr mich fragt.

Während der Syre noch Terras Geschick und Tapferkeit lobte, hörte ich, wie etwas in der Nähe einschlug. Ein rascher Blick umher ließ mich auch erkennen, wo: Auf das eben noch so ausdruckslose Gesicht der Prinzessin war auf einmal ein überraschter Ausdruck getreten, auf ihrer Stirn war ein dicker schwarzer Punkt zu sehen, aus dem jetzt langsam eine rote Flüssigkeit quoll. Auf den Bänken um den Platz brach Panik aus, alle versuchten, so schnell wie möglich wegzukommen. Niphredil drängte sich zur Prinzessin durch, wurde erst von Wachen aufgehalten, dann jedoch nach einem Wink von Terra durchgelassen. Ithilwen, Reina und Ganymed spurteten schon in die Richtung, aus der der Bolzen gekommen war. Reina kehrte recht bald erfolglos zurück. In der Zwischenzeit hatten wir uns um die Prinzessin gescharrt, um ein wenig zu verdecken, dass Niphredil ihr den Bolzen aus der Stirn zog, und sie hatte festgestellt, dass sowohl der Bolzen als auch die Prinzessin eine Aura hatten, was Cliona zum Anlass genommen hatte, zu überprüfen, ob die Prinzessin verzaubert war. Dem war wohl so – ein Priester wurde herbeordert, um den Zauber zu bannen, was es auch immer sein mochte. Elwedritsch besah sich den Bolzen genauer und stellte fest, dass er mit Zielsuche versehen war. Außerdem bemerkte er noch, dass eine schwarze Flüssigkeit am Bolzen klebte, die Reina nach eingehender Untersuchung als irgendein Gift deklarierte, welches genau konnte sie nicht sagen.

In der Zeit kehrten auch Ithilwen und Ganymed zurück. „Da hinten liegt ein zerbrochenes Fläschchen mit irgendeiner Flüssigkeit drin. Zumindest war sie mal drin…“, bemerkte Ganymed. „Zufällig schwarz?“, fragte Reina. Ithilwen nickte. „Es gibt zwar Spuren, aber die sind schon viel zu zertrampelt, um sie weiter als einen Meter verfolgen zu können.“

Der Priester, der dann auch bald kam, machte sich ans Werk, und nach 10min begannen sich die Konturen der Prinzessin langsam zu verändern. Zuerst nahm die Haut einen ungesunden Grünstich an, dann verformte sich ihr Körper, wuchs ein wenig in die Breite, vor allem die Schultern wurden kräftiger, ihre Gesichtszüge wurden gröber, bis wir zu guter Letzt – Na, was wohl? - einen Ork vor uns liegen hatten. Wir waren alle recht verblüfft, der Syre hingegen war entsetzt. Terra überredete ihn, den Ork erstmal beseitigen zu lassen, wir würden uns darum kümmern, dass die Prinzessin wieder auftauchte. Also begleiteten wir alle den Syre auf die Burg, wo wir uns das Zimmer der Prinzessin vornahmen.

Dort standen das Bett, ein Schreibtisch, ein Schrank, und ein Regal mit einer ganzen Menge Büchern. Guineth untersuchte das Regal und die Bücher, blätterte ein wenig durch und stieß plötzlich einen überraschten Laut aus. „Schau mal, Niphredil!“ Niphredil, die sich ebenfalls ein paar Bücher angesehen hatte, blickte ihr über die Schulter: „Hm. Nicht gerade Lektüre für eine sechszehnjährige Prinzessin.“ Auch Reina war inzwischen fündig geworden. „Schau mal einer an.“ Sie hielt in der einen Hand ein großes Pergament mit einem Hexagon darauf, dass sie unter einem doppelten Boden im Schrank gefunden hatte, in der anderen Hand einen kleinen Stapel Pergament, scheinbar Briefe, die sie eben aus einem doppelten Boden in einer der Schreibtischschubladen geholt hatte. Niphredil stellte das Buch wieder ins Regal, nahm die Briefe entgegen und las vor.



„Tja, ich würde sagen, wir haben unseren Finstermagier!“, war Marcellos Kommentar dazu. „Ja, und wir wissen auch, wie die Prinzessin abgehauen ist…“ Das war Guineth. „Und warum, wissen wir auch. Die Frage ist nur, wie finden wir sie?“ „Ist doch klar!“ Herewald, der bis jetzt nutzlos in der Ecke herumgestanden hatte, trat vor. „Wir folgen ihr auf dem gleichen Weg!“ Unterdrücktes Seufzen. „Na schön, dann stell dich mal auf das Pergament da mit dem Hexagon und rede einfach weiter, irgendwann wird das Schlüsselwort schon dabei sein.“ Der immer (noch) von Herewald genervte Ganymed. Herewald beäugte misstrauisch das Hexagon, stellte sich dann vorsichtig darauf. „So, und was soll ich jetzt sagen?“ „Irgendwas halt.“ „Wie wärs mit ‚Gwyn‘ oder ‚Geliebter‘ oder so?“, schlug Guineth vor. „Oder mit dem Namen von dem Finstermagier - weiß den eigentlich jemand?“ Ganymed schüttelte den Kopf, „Nein, den wusste Ringol auch nicht. Wir wissen jetzt nur, dass er mit W anfängt, den Briefen nach zu urteilen.“

Es war sehr amüsant, zu beobachten, wie Herewald die nächsten 10 Minuten damit verbrachte, im Brustton der Überzeugung Worte zu rufen, die ihm andere sagten. Irgendwann fiel aber keinem mehr was ein, und so begannen wir, uns andere Gedanken zu machen. „Dieses Versetzen-Hexagon hat doch eine bestimmte Reichweite, oder?“, fragte Elwedritsch. Cliona dachte kurz nach, dann meinte sie: „Ja, im Normalfall sind das 500m.“ „Nehmen wir mal an, er war in einem Gasthaus einquartiert, als sie abgehauen ist. Dann suchen wir nach einer zwielichtigen Gestalt in einem Gasthaus in 500m Umkreis – das grenzt die Suche doch schon etwas ein“, stellte Reina fest. „Allerdings wissen wir nicht, ob das ganze heute passiert ist, die Kammerzofe hat ja gesagt, die Prinzessin sei die letzten paar Tage schon sehr ruhig gewesen. Ausschließen können wir es aber auch nicht, da sie ja wohl schon immer sehr ruhig war.“ „Also ist es wahrscheinlich am besten, wenn wir einfach mal die Gasthäuser absuchen – eine bessere Spur haben wir im Moment jedenfalls nicht“, tat Marcello seine Meinung kund. Alle nickten. „Und was mach ich jetzt?“, fragte Herewald, der immer noch auf dem Hexagon stand. „Du packst das Pergament wieder dahin, wo wir es her haben. Und du“, Niphredil wandte sich an die Kammerzofe, „rührst am besten nichts an.“ Die Zofe nickte verschreckt, ich gab ihr beim Hinausgehen noch den Rat, sich erst einmal eine kräftige Brühe zu holen und dann ins Bett zu gehen, was sie auch gleich befolgte – zumindest eilte sie in Richtung Küche davon, dem Duft nach zu urteilen.

Das Turnier - zweiter Tag

Achtung: Kann relevante Informationen zum Abenteuer "Turney zu Adhelstan" enthalten.


Am zweiten Tag schien Terra ihre Nervosität dann schon ein wenig abgelegt zu haben. Niphredil und Guineth brachen früh auf zum Turnierplatz und verarzteten einige Verletzte, wobei sie wieder ordentlich absahnten. Reina ging in die Stadt, um Erkundigungen über irgendwelche Leute einzuholen, die sie suchte. Bis zu Terras zweitem Kampf lief alles ungefähr wie am Tag zuvor. Da wir auch nicht wirklich wussten, wo wir nach MacDirk hätten suchen sollen und Reina eh gesagt hatte, dass er nach jedem Auftrag gleich wieder verschwand und sich ein halbes Jahr lang nicht mehr an dem Ort blicken ließe, konnten wir in der Richtung nicht wirklich etwas tun.

Terra schlug sich wieder großartig, den ersten Gegner hob sie aus dem Sattel. Dessen Brustpanzer war ordentlich eingedellt, und sein Arm schien gebrochen zu sein. Er hatte jedoch offensichtlich seinen eigenen Heiler, so dass Niphredil und Guineth diesmal nicht viel zu tun hatten. Terras zweiter und letzter Kampf lief ähnlich. Der Typ hatte es aber auch verdient, so ein arroganter Schnösel. Terra schob ihn mit einem eleganten Schwung hinten vom Pferd runter.

Damit war der Tag auch schon weitestgehend rum, nur morgen standen ihr jetzt noch ein oder vielleicht sogar zwei Kämpfe bevor, wenn sie den ersten auch gewinnen sollte. Vielleicht hatte sie doch Recht und das war gar nicht so abwegig.